Wenn Weiblichkeit wieder Raum bekommt

Eine Frau sitzt eingekuschelt auf einem Balkon und lächelt warm in die Kamera.

Es gibt Filme, die schaut man und vergisst.
Und dann gibt es noch die Filme, die etwas auslösen, das schon lange im Inneren darauf wartet, von dir gesehen zu werden.

Für mich ist Woman von Yann Arthus-Bertrand und Anastasia Mikova genau so ein Film.

Ich sah ihn an einem besonderen Freitagabend im Rahmen eines „Mütter-Wochenendes“ in Karlsruhe – zusammen mit etwa fünfzig anderen Frauen. Und schon in den ersten Minuten wurde mir klar, dass dieser Abend außergewöhnlich werden würde. Deshalb lässt mich dieser Film nicht mehr los. Darum wirkt er nach. Und rührt noch immer.

Bereits während des Schauens spürte ich, dass sich etwas öffnet.
Etwas Altes.
Etwas, das in mir viele Jahre keinen Platz haben durfte: mein Frausein.

Der Film legt Schichten frei, von denen ich dachte, sie längst sortiert zu haben. Doch Frausein ist kein abgeschlossenes Kapitel. Vielmehr ist es eine Lebensreise, manchmal sogar ein Ringen. Allerdings war es für mich lange ein leises Wegducken. Ein Nicht-Hinschauen. Ein Verweigern.

Meine Geschichte mit dem Frausein hat viele Brüche

In meiner Kindheit liegen Erlebnisse, die mir heute erklären, warum mein Körper manchmal mit Schutz statt mit Schönheit reagierte.
Sie erklären auch, warum Weiblichkeit für mich lange eher Gefahr als Geschenk bedeutete, warum ich stark sein wollte, obwohl ich eigentlich weich war, und weshalb ich funktionieren wollte, obwohl ich hätte fühlen müssen.

Seit 2019 kehrt dieses Thema immer wieder zurück – wie eine Welle, die nicht abebbt.
In all den Jahren habe ich mich oft gegen meine Weiblichkeit gestellt.
Nicht bewusst, und doch irgendwie entschieden.

Ich fühlte mich zu verletzlich.
Zu weich.
Zu viel.
Nicht genug.
Weiblichkeit wirkte unbequem oder schien mit Erinnerungen verbunden, die ich lieber tief vergraben wollte.

Viele Jahre war ich daher lieber die Starke.
Die Funktionierende.
Die Macherin.
Dort war es sicher, kontrollierbar, geschützt.

Doch dann kam der Tag, an dem mein Körper mir keine Wahl mehr ließ.

Brustkrebs – wenn der Körper spricht, weil du schweigst

Mit der Diagnose rückte plötzlich mein Körper in den Mittelpunkt – ein Körper, den ich nie wirklich angenommen hatte.

In dieser Zeit begegneten mir Frauen, die mich tief geprägt haben.
Durch Marina Balko und Korinna Heintze lernte ich die Archetypen der Weiblichkeit kennen.
Besonders erinnere ich mich an den Abend, an dem ich „Weiblichkeit in Rot“ zeigen sollte – mich schön machen, mich schminken, roten Lippenstift auftragen. Anfangs fühlte sich das fremd an. Fast verboten. Doch genau dort begann meine Reise.

In ihren Kursen lernte ich gemeinsam mit anderen Frauen:

  • Weiblichkeit zu tragen
  • Verletzlichkeit zu zeigen
  • den eigenen Körper zu ehren
  • die eigene Geschichte anzunehmen
  • sich selbst zuzulassen

Viele weitere Frauen – aus Coachings, Krebsgruppen, Kliniken und Onlinekursen – zeigten mir zusätzlich, was Weiblichkeit sein kann.

Weiblichkeit ist keine Schwäche.
Sie ist ein Rohstoff.
Ein tiefer, ursprünglicher, zarter, kraftvoller Rohstoff.
Und langsam beginne ich zu verstehen, was ich so lange von mir abgespalten hatte.

Der Film hat alles noch einmal sichtbar gemacht

Beim Schauen von Woman erkannte ich mich in vielen Gesichtern wieder.
In Geschichten, die mutig, brutal, schön, zart, schmerzhaft und unendlich menschlich waren.

Tränen liefen, ich musste manches schlucken, innerlich nicken und auch erschrocken innehalten. Und ich fühlte vieles, das ich so lange nicht mehr fühlen wollte.

Der Film zeigte mir:

  • wie viele Stimmen in mir noch ungehört waren
  • wie viel Schmerz noch unbetrauert war
  • wie viel Kraft noch ungelebt blieb

Mitten unter Frauen

Wir saßen zu fünfzigst in einem hellen Saal – und die Energie war kaum in Worte zu fassen.

Lachen erfüllte den Raum, Tränen fanden Platz, und stille Momente verbanden uns.
Gänsehaut, Wiedererkennen, Berührung, Getragensein – all das lag in der Luft.

Es war, als würde jede Frau ihren eigenen Lebensrucksack in die Mitte stellen – und plötzlich waren wir nicht mehr allein.

Frauengruppen besitzen eine besondere Magie.

Sie heilen, ohne dass man darüber spricht, verbinden, ohne dass man sich kennt und stärken, ohne dass jemand sich anstrengt.

Wir halten uns, ohne uns festzuhalten,
spiegeln uns, ohne zu bewerten
und heilen, indem wir gemeinsam da sind.

Vielleicht ist genau das Frausein.

Was Frausein heute für mich bedeutet

Nicht perfekt sein müssen.
Absolut nicht vollständig.
Auch nie endgültig fertig.
Aber immer echt.

Deshalb bedeutet Frausein heute für mich:

  • weich sein dürfen
  • stark sein können, aber nicht müssen
  • meine Geschichte nicht länger kleinreden
  • meinen Körper nicht länger bekämpfen
  • Verletzlichkeit als Mut zu sehen
  • Sinnlichkeit als Berechtigung
  • mich selbst nicht mehr abzuspalten
  • zurückzukehren – zu mir

Frausein ist kein Rollenmodell und kein Ideal mehr.
Frausein ist ein Heimkommen.

Die schönste Erkenntnis

Wir Frauen gehen viele Wege,
doch wir tragen uns gegenseitig ein Stück.

Heute erkenne ich, dass ich nie allein war. Vielmehr haben andere Frauen mir den Weg gezeigt haben, oft still und unbemerkt. Bis ich schließlich bereit war, nicht mehr nur zu überleben. Deshalb lebe ich immer mehr als Frau und nehme meinen Platz als diese ein.

Woman hat diese Bewegung erneut in mir angestoßen. Und eine große Dankbarkeit in mir ausgelöst. Denn auch heute noch stehen mir wertvolle Frauen zur Seite. Zum Beispiel Martina Spierings mit ihren Angeboten rund um das Frau- und Muttersein und Susanne Bürkert mit Vitamin F. Auch Gerrit Ulrike Schramm trägt mit ihrem Wirken und ihrer Facebookgruppe „Brustkrebsmamas“ noch immer sehr viel zu meiner persönlichen Weiblichkeit bei.

Diese Reise möchte ich nie wieder abbrechen.

4 Kommentare

  1. Liebe Cirsten, das ist ein Gänsehaut-Artikel, der mich sehr berührt. Du hast genau die richtigen Worte gesagt und sie auch noch so schön formuliert: Sie machen Mut. Eigentlich könnte man denken, es ist gut, wenn das Leben gerade verläuft. Es ist nicht so. Ausgerechnet die Dinge, die man nicht gebrauchen kann, machen einen stärker, wenn man auf dem Weg der gesundheitlichen Besserung ist. Und man findet neuen Mut fürs Leben mit neuen Freunden, mit neuer Weise, wie man das Leben versteht und Vieles anders macht. Und letztlich geht es einen besser als zuvor. Ja, diese Erfahrung durfte ich auch machen. – Ich freue mich so sehr, dass ich auf deinen Text gestoßen bin und werde bald wieder vorbeischauen. Vielleicht hast du auch einen Newsletter irgendwann. Liebe Grüße von Katrin

    1. Liebe Katrin,
      deine Worte haben mich tief berührt – danke von Herzen dafür.

      Du beschreibst etwas, das so viele Frauen fühlen und doch so selten laut aussprechen: dass gerade die Umwege, die Brüche, die schmerzhaften Kapitel uns in eine Kraft führen, von der wir vorher nicht einmal wussten, dass sie in uns wohnt. Es tröstet und verbindet zu lesen, dass du ähnliche Erfahrungen gemacht hast – und dass du heute mit neuer Klarheit, neuen Menschen und einem neuen Verständnis durchs Leben gehst.

      Ich freue mich unglaublich, dass mein Text dich gefunden hat – oder vielleicht wir einander. Du bist jederzeit willkommen, wieder vorbeizuschauen. Und ja, ein Newsletter ist tatsächlich in Planung.

      Von Herzen alles Liebe für deinen weiteren Weg,
      Cirsten

  2. Liebe Cirsten,

    dein Artikel hat mich heute sehr tief berührt.
    Nicht im Sinne eines Schmerzes, der überrollt – sondern wie ein warmer, ehrlicher Spiegel, der etwas in mir sichtbar macht, das lange keinen Platz hatte.

    Du beschreibst Weiblichkeit auf eine Weise, die wahrhaftig ist: weich, kraftvoll, zart, verletzlich und mutig zugleich.
    Besonders die Passagen über das Frausein als Reise und die stille Kraft von Frauengruppen haben etwas in mir angestoßen, das ich selbst erst in den letzten Monaten wieder wahrnehme.

    Deine Worte haben in mir Erinnerungen und gleichzeitig neue Erkenntnisse geweckt – über alte Wunden, über Verbundenheit, die mir oft gefehlt hat, und über den Weg, den ich heute gehe.

    Danke, dass du diesen Raum öffnest.
    Danke, dass du so ehrlich und nah schreibst.
    Und danke, dass du zeigst, wie viel Heilung darin liegt, wenn Frauen sich gegenseitig sehen.

    Dein Artikel hat mich nicht nur berührt – er hat etwas in Bewegung gebracht.

    Von Herzen,
    Katja

    1. Liebe Katja,

      deine Worte haben mich gerade selbst tief bewegt.
      Danke, dass du dir die Zeit genommen hast, so offen zu teilen, was der Artikel in dir ausgelöst hat.

      Es berührt mich sehr zu lesen, dass du dich darin wiedergefunden hast – in dieser Mischung aus Weichheit und Stärke, aus Verletzlichkeit und Mut, die wir Frauen oft gleichzeitig tragen und doch so selten aussprechen.

      Dass mein Text etwas in dir angestoßen hat, das wieder Raum bekommen darf, empfinde ich als großes Geschenk. Vielleicht ist es genau das, was solche Texte bewirken dürfen: ein Wieder-Erinnern, ein Innehalten, ein Sich-selbst-wieder-Spüren.

      Danke, dass du diesen Raum mit deiner Rückmeldung mitgestaltet hast.
      Danke für deine Offenheit, dein Vertrauen und deine so klaren, warmen Worte.

      Von Herzen,
      Cirsten

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